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Weitere Grundsatzentscheidung des BVerwG zur laufenden Geldleistung (§ 23 SGB VIII)

Nachdem sich das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit bereits mit der Sachkostenerstattung (24.11.2022 - 5 C 1.21, 5 C 3.21 und 5 C 9.21) und dem Anerkennungsbetrag (25.01.2018 - 5 C 18.16) befasst hatte, ging es in den beiden Entscheidungen vom 30.06.2023 (5 C 10.21 und 5 C 11.21) neben der Gewährung der laufenden Geldleistung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag auch um die erforderliche Differenzierung der einzelnen Bestandteile der laufenden Geldleistung. Danach setzt eine den gesetzlichen Anforderungen des § 23 SGB VIII entsprechende Festlegung und Gewährung der laufenden Geldleistung voraus, dass zwischen den einzelnen Bestandteilen der laufenden Geldleistung differenziert und für sie jeweils ein eigenständiger Betrag ermittelt und bestimmt wird.

Die Leitsätze der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (5 C 10.21) lauten wie folgt:

1. Der materiell-rechtliche Anspruch von Kindertagespflegepersonen aus § 23 SGB VIII auf Gewährung einer (die Sachkosten und den Anerkennungsbetrag umfassenden) laufenden Geldleistung wird durch sächsisches Landesrecht (§ 14 Abs. 6 SächsKitaG) verfahrensrechtlich dahin konkretisiert, dass er nur durch eine Vereinbarung - also in der Handlungsform eines öffentlich-rechtlichen Vertrages - gewährt werden kann.
2. Die inhaltliche Kontrolle, ob eine Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen des § 23 SGB VIII entspricht, bleibt nicht hinter derjenigen zurück, die anzulegen wäre, wenn der Landesgesetzgeber die Handlungsform des Verwaltungsakts - also die Gewährung durch Bescheid - für die Gewährung der laufenden Geldleistung vorgesehen hätte.
3. Ist eine Vereinbarung über die laufende Geldleistung geschlossen worden, die den Anforderungen des § 23 SGB VIII nicht entspricht, steht der Tagespflegeperson ein Anspruch auf deren Neubestimmung im Wege des Abschlusses einer gesetzeskonformen Vereinbarung aus § 23 SGB VIII i. V. m. § 14 Abs. 6 SächsKitaG zu.
4. Eine den gesetzlichen Anforderungen des § 23 SGB VIII entsprechende Festlegung und Gewährung der laufenden Geldleistung setzt voraus, dass zwischen den einzelnen Bestandteilen der laufenden Geldleistung differenziert und für sie jeweils ein eigenständiger Betrag ermittelt und bestimmt wird.

Die Entscheidung wurde am 16.11.2023 auf der Internetseite des Gerichts bereitgestellt und kann unter folgendem Link abgerufen werden: BVerwG_5_C_10.21


Keine Vorgaben von Kündigungsfristen durch öffentliche Jugendhilfeträger in privatrechtlichen Verträgen

Es zeichnet sich ab, dass die Vorgabe von Kündigungsfristen durch den öffentlichen Jugendhilfeträger bzgl. des privatrechtlichen Vertrags zwischen Kindertagespflegeperson und Personenberechtigten nicht in Betracht kommen dürfte. Auch wenn es sich letztlich nur um eine Kostenentscheidung handelt, hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, 19.05.2023 - 5 C 2.22) in der Entscheidung sehr anschaulich dargelegt, wie der Anspruch einer Kindertagespflegeperson auf die laufende Geldleistung entsteht (und im Übrigen auf diese Ausführungen auch im o. g. Urteil vom 30.06.2023 - 5 C 10/21 Bezug genommen). 
Danach setzt der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Gewährung der einer Geldleistung voraus, dass die Geldleistung zur Erfüllung des Förderanspruchs nach § 24 SGB VIII gewährt wird. D. h., sie ist grundsätzlich nur zu leisten, wenn gegenüber einem nach § 24 SGB VIII förderberechtigten Kind Kindertagespflegeleistungen "im von den Eltern gewünschten Umfang bewilligt und nach Maßgabe des § 22 SGB VIII durch die Kindertagespflegeperson erbracht werden".
Weiter führt das Gericht aus: "Dazu muss eine hierzu geeignete Person die Tagespflegeleistungen in geeigneten Räumen erbringen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei die persönlichen Eignungsvoraussetzungen in § 23 Abs. 3 SGB VIII konkretisiert werden. Zudem muss die von der Kindertagespflegeperson erbrachte Leistung inhaltlich den Anforderungen des § 22 Abs. 2 bis 4 SGB VIII genügen." 
Diesem normativen Zusammenhang ist laut BVerwG jedoch nicht zu entnehmen, dass auch "die Vereinbarung bestimmter Kündigungsfristen im Rechtsverhältnis zwischen Kindertagespflegepersonen und Personensorgeberechtigten eine weitere selbständige Bedingung für das Entstehen des Anspruchs auf die Geldleistung sein könnte".
Ebenso wenig sei dem genannten normativen Zusammenhang zu entnehmen, "dass die Erfüllung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen eine solche Vereinbarung erforderlich machen könnte".


Anhebung der Betriebsausgabenpauschale ab 2023

Laut Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 6. April 2023 wurde die Betriebsausgabenpauschale für selbstständig tätige Kindertagespflegepersonen von 300.- € auf 400.- € pro Kind und Monat erhöht. 

Die Betriebsausgabenpauschale für Freihalteplätze wurde auf 50 € je Freihalteplatz und Monat angehoben. 

Die Erhöhung gilt ab dem Veranlagungszeitraum 2023.   

 

Grundlegende Entscheidungen des BVerwG zur Erstattung angemessener Sachkosten (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII)

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im November 2022 in mehreren Entscheidungen mit der Festlegung der Erstattung angemessener Sachkosten durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe befasst.
Die Erstattung angemessener Kosten, die der Kindertagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen, ist Bestandteil der laufenden Geldleistung, die Träger der öffentlichen Jugendhilfe an Kindertagespflegepersonen gewähren, wenn die Förderung des Kindes in Kindertagespflege nach §§ 23, 24 SGB VIII übernommen wird. 

Laut BVerwG steht den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bei der Festlegung der Sachkostenerstattung kein Beurteilungsspielraum zu. Die Festlegung der Sachkostenerstattung unterliegt vielmehr der vollen gerichtlichen Überprüfung.

Der bisher von der überwiegenden Rechtsprechung akzeptierten Orientierung an der steuerrechtlich anerkannten Betriebsausgabenpauschale hat das BVerwG eine Absage erteilt. Die Annahme, für die Bemessung der Sachkostenpauschale komme es maßgeblich auf die steuerrechtliche Betriebsausgabenpauschale an, steht nach Auffassung des BVerwG mit dem Bundesrecht nicht im Einklang. 

Zu den angemessenen Kosten, die einer Kindertagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen, hat das Gericht u. a. ausgeführt: 

"Das Bundesrecht schreibt zur Ermittlung der angemessenen Kosten keine bestimmte Methodik vor. Die angewandte Methode muss aber geeignet sein, die Kosten realitätsgerecht und ortsbezogen zu erfassen. Wegen des erforderlichen Ortsbezugs kommt der im Steuerrecht anzuwendenden Betriebskostenpauschale in Höhe von 300 € pro Kind und Monat keine maßgebliche Bedeutung zu. Unter Beachtung dessen ist der Jugendhilfeträger oder die nach Landesrecht zuständige Stelle grundsätzlich verpflichtet, die in diesem Sinne üblichen Kosten zu ermitteln. Soweit eine präzise Ermittlung dieser Kosten angesichts der Vielfalt der Verhältnisse praktisch nicht möglich ist, ist er zu vereinfachenden Sachverhaltsbetrachtungen und Typisierungen berechtigt." (Pressemitteilung Nr. 71/2022 vom 24.11.2022)

Eine weitere Entscheidung ist mit Schwerpunkt zu den Verpflegungskosten ergangen, Pressemitteilung Nr. 71/2022 v. 24.11.2022

Die Entscheidung vom 24.11.2022 (BVerwG 5 C 1.21) wurde zwischenzeitlich veröffentlicht. Die Entscheidung enthält folgende Leitsätze:

 1. Die Erstattung der angemessenen Kosten für den Sachaufwand nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII kann in pauschalierter Form erfolgen. Ein kontrollfreier Beurteilungsspielraum steht den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bei ihrer Festlegung nicht zu.
2. Erstattungsfähige Sachkosten sind Kosten derjenigen Sachmittel, die zur Erfüllung des Förderauftrags nach § 22 SGB VIII geeignet sind und von der Tagespflegeperson wirtschaftlich getragen werden.
3. Angemessen sind die Kosten des Sachaufwands, wenn sie gemessen an den örtlichen Verhältnissen üblicherweise für einen in der Kindertagespflege typischen Standard anfallen und auch der Höhe nach marktüblich sind. Die Methode zu ihrer Ermittlung muss geeignet sein, die entsprechenden Bedarfe und ihre Kosten realitätsgerecht und ortsbezogen zu erfassen; sie darf sich vereinfachender Sachverhaltsbetrachtungen und Typisierungen bedienen.

Die beiden anderen Entscheidungen vom 24.11.2022 sind nun auch online abrufbar: BVerwG 5 C 3.21 und BVerwG 5 C 9.21


Urteil des BVerwG zum Anerkennungsbetrag nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII aus dem Jahr 2018

Bezüglich der Festlegung eines leistungsgerechten Betrags zur Anerkennung der Förderungsleistung nach § 23 Abs. 2, Abs. 2a SGB VIII ist bereits im Jahr 2018 eine grundlegende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ergangen, die auf der Internetseite des Gerichts eingesehen werden kann. Danach verfügen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der leistungsgerechten Ausgestaltung des Betrags zur Anerkennung der Förderungsleistung über einen Beurteilungsspielraum, der nur gerichtlich nur beschränkt überprüfbar ist.